Frühjahr 2008. Endlich ein paar anhaltende Sonnentage. Endlich am Wochenende wieder einmal eine kleine Radtour machen mit der Familie. Mit von der Partie diesmal der 6-jährige Sohn auf seinem eigenen Fahrrad, einem Cube Team 200. Sören wartet schon seit Weihnachten darauf, es endlich richtig auszufahren. Die Strecke zum Kindergarten ist schon erprobt, 2 Kilometer je Richtung mit einem kleinen Schlußanstieg über ca. 30 Höhenmeter.
Nun soll es ins nahe gelegene Teichgebiet gehen, wo jetzt die Frösche quaken und die Schwäne zurückgekehrt sind. Aber vorher scheint es eine Ewigkeit zu dauern, bis Papa die Räder zurecht gemacht hat und die Helme bei jedem richtig auf dem Kopf sitzen, die kleine Schwester noch einmal gestillt ist und die Trinkflaschen, Windeln und die Picknickbrote verstaut sind.
Als endlich alle auf den Rädern sitzen – die 4-jährige Schwester hinter Papa auf dem Tandem, der 3-jährige auf dem Fun-Trailer angehängt an Mamas Rad und das Baby in der Hängematte im Hänger – kann es losgehen.
Sören fährt hinter Papa und vor Mama, damit auch im Straßenverkehr nichts schief geht. Und die ersten 2 Kilometer geht auch alles prima. Doch dann gibt es einige leichte Hügel zu überwinden und das Schalten am Kinderrad muß dann doch ein Erwachsener übernehmen. Also anhalten und wieder los. Die Geschwindigkeit unterschreitet jetzt langsam die Balancegrenze des nach hinten sichernden Erwachsenenrades – der Lenker eiert im Schritttempo hinter dem auf den Pedalen kämpfenden Nachwuchs. Aber voll von starkem Willen hält der Spross durch, das Gesicht allerdings schon recht verbissen. Noch ein paar Meter weiter hilft alles nichts, die erste Durchschnaufpause muss her.
„Mama, ich kann nicht mehr!“
Eigentlich ist das Gelände schon längst wieder flach, aber der feuchte Wald- und Wiesenweg ist anstrengend für so einen Neuling. So reiht sich Pause an Pause, zum Schluss hin mit der Tendenz zu Wutgefühlen gegenüber dem Fahrrad, dem Trotz, auf der Stelle sitzen zu bleiben und nicht wieder aufzusteigen und den für elterliche Ohren bedrohlichen Schwur, überhaupt niemals wieder einem Fahrrad zu nahe kommen zu wollen.
Wir sind trotzdem irgendwie zu Hause wieder angekommen. Doch Papa Stefan begann nun, sich ernsthaft Gedanken zu machen, was da bloß schief läuft mit dem neuen Kinderrad und seinem Sohn. Am Sohn konnte es nicht liegen, der war alles andere als ein Bewegungsmuffel und es fehlte auch nicht am Kampfgeist. Es musste an der mangelnden Fähigkeit des Fahrrades liegen, den Kräften eines Kindes gerecht zu werden.
Warum ist das Fahrrad nur so schwer?
Ca. 11kg Gewicht für ein Kinderrad ohne alles? Sören wiegt ungefähr 20 kg. Das ist viel zu schwer für ihn. Das ist ja so als ob ein Erwachsener mit einem 45 kg Fahrrad fahren würde. Klar, dass man da keinen Berg hoch kommt.
Die Entwicklung
Nachdem Stefan Vogel begeistert ist vom Funtrailer, einem äußerst guten Trailerfahrrad, setzte er sich gleich mit dem Konstrukteur vom Funtrailer Jürgen Fischer zusammen. Die wichtigsten Fragen lauten:
Wo kann ich Gewicht einsparen?
Welches Material eignet sich?
Wie muss der Rahmen konstruiert sein?
Wie bekomme ich das für einen erschwinglichen Preis hin?
Jürgen kümmerte sich um den Rahmen: Materialwahl, Wandstärke, Geometrie optimieren. Welche Gabel wird verwendet? Wie leicht können wir werden, ohne an Stabilität einzubüßen – gerade Kinderräder brauchen gute Reserven. Stefan kümmert sich um Marktübersicht: Was gibt es schon, welche am Markt erhältlichen Kinderrräder wiegen wieviel bei welcher Ausstattung.
Dann kamen die Ausstattungsfragen: Leicht und kindgerecht ist selten. Leicht und bezahlbar auch.
Was kann hier noch weg? Also beobachteten beide das Kind beim Fahren. Was braucht er hier eigentlich wirklich?
21 Gänge für ein Kinderrad? Das ist für ein Kind ohnehin sehr schwierig zu begreifen.
7 Gänge mit Megarange-Ritzel haben einen nahezu genauso hohen Aktivbereich wie 21 Gänge.
Durch die Auswahl der Ritzel hinten und des einfachen Kettenblattes vorne ergab schon die erste Gewichtsreduzierung bei ausreichendem Aktivitätsbereich.
Weiter geht’s! Die Reifen runter. Die richtigen Modelle werden gesucht und sind schnell gefunden.
Also ganz LEICHTE und hochwertige Reifen, bestellt und aufgezogen. Was an weiteren Anbauteilen ist am Markt vorhanden und kindgerecht? Da bei vielen Kinderbikes die Komponenten online nicht zu bezeichnet sind werden halbwegs leichte Kinderräder gekauft und Teile identifiziert, verglichen und bestellt. Lenkergriffe, Bremsgriffe, Schaltung – alles wird geprüft und ggf. ausgetauscht. Die Briefwaage ist das tägliche Arbeitsmittel.
Nach langer Entwicklungszeit kam im Herbst 2009 der Rahmen. Jetzt ging es ans konkrete Basteln und Zusammenbauen.
“PAPA! COOL SOLL ES SEIN!”
Bei den Vorstellungen wie ein Kinderrad aussehen sollte gingen die Meinungen weit auseinander.
Was ist das richtige Aussehen für ein Fahrrad für Jungen UND Mädchen im Kindergarten und Grundschulalter?
Ein Prinzessinnen-Fahrrad mit viel Glitzer oder eine schrille „Kampfmaschiene“ gefallen den meisten nur im Kindergarten. Dann wird ein solches Gefährt schnell “babykram” und die Kinder verlieren die Lust am Fahren. Ein Rad braucht einen hohen Wiederverkaufswert, zeitlose Optik und darf keinen Schnickschnack haben, der ins Gewicht geht. Sohnemann meinte nur: “Papa! Cool soll es sein!”
Die sportliche Geometrie gefiel beiden Kindern und auch die Tochter war mit dem weiß-silbernen Rahmen zufrieden. Und den Schriftzug durften die Kinder unter vielen verschiedenen Varianten auswählen.
“PAPA! EIN HUND!”
Wie sollte nun ein Kinderfahrrad heißen? Einprägsam und kurz sollte es klingen, aber auch eine gewisse Aussage über den „Charakter“ des Gefährten der Kinder treffen. Bei den Probeversuchen trottete auch immer unser gutmütiger alter Hofhund durch das Getümmel. Da kam der Tochter ein Geistesblitz: „Papa, ein Hund!“ „Was, `ein Hund`?“ „Na, ein Fahrrad ist so stark und so treu wie ein Hund und so schnell wie ein Hund. Du kannst alles mit ihm zusammen erleben. Er lässt dich nicht im Stich!“ Da hatte sie recht! Im lateinischen heißt „Hund“ canis. Also einigten wir uns auf KANIABIKES. Schnell im Internet geprüft, ob Domains und Markenrechte freiwaren – Volltreffer! Auch ein Bild hatte dann das Kinderrad zur Seite: Ein Husky, von dem wohl alle Kinder träumen, wenn sie an Abenteuer denken und der auch zur Hälfte in unserem Hofhund steckt.
“PAPA! KUCK MAL!”
Mit unter 9 kg Gewicht ist nun das Vorhaben geglückt, ein stabiles, zeitloses und vor allem LEICHTES Kinderfahrrad zu einem vernünftigen Preis zu entwickeln.
Seit dem Frühjahr 2010 haben die Kinder jeder ihr eigenes individuelles KANIABIKE und die kleinen Radtouren werden zum Erlebnis.
Selbst große Touren von mehreren Tagen mit einer durchschnittlichen Tagesleistung von 50 km sind für die Kinder inzwischen schon mit 2 Packtaschen möglich. Sicher, der älteste Sohn ist nun älter als zu Beginn, aber es ist eine große Leistung für einen 8 Jährigen auch mal an die 70 km Grenze zu kommen beim Tagesausflug (und da es nicht ganz reichte noch mehrere Runden im Dorf zu fahren am Abend)! Am Berg fährt er uns sogar immer davon, weil wir dem „Bergfloh“ mit unseren schwer bepackten Rädern gar nicht so schnell folgen können.
Zwischendurch hört man immer mal: “Papa! Kuck mal!” und er zeigt seine neusten auf dem Rad erworbenen Fähigkeiten – Freihändigfahren (natürlich nur auf einem freien Radweg), Slalomfahren oder auch in Kurven aus dem Sattel gehen, sich neben das Fahrrad hängen und das Rad möglichst gerade durch die Kurve ziehen…
Die Tochter träumt derweil davon, auch endlich mit ihrem eigenen Rad bei einer „großen“ Tour dabei sein zu dürfen. Demnächst fahren aber die beiden erst einmal auf ihren Rädern auf einem offiziellen sogenannten „Fette Reifen Rennen“ für Kinder mit und freuen sich darauf, dass sie in ihrem Alter sicher gut abschneiden werden.
Wir sind begeistert über soviel Begeisterung bei unseren Kindern und hoffen, noch vielen Eltern und Kindern ebensolches Fahrvergnügen zu ermöglichen! Aus einer Idee für den eigenen Nachwuchs was kindgerechtes zu gestalten wurde somit schon 2010 eine Containerladung mit 200 Fahrrädern.
Die Bestandteile des Fahrrades sind nun so variabel, dass die Möglichkeit besteht, das Rad den individuellen Wünschen des Kindes anzupassen. Die Nutzung für den alltäglichen Gebrauch mit straßensicherer Ausstattung, als Mountainbike oder andere sportliche Varianten sind möglich.
Die Weiterentwicklung
Gegenüber dem Prototypen, der mittlerweile (Stand Ende 2018) von unserem 4. Kind gerade „abgelegt“ wurde und ca. 12.000 km ohne jegliches Problem auf den Reifen hat (ok, 3 Platten hatten wir schon…), wurde das Serienmodell des Kaniabike Twenty leicht verändert: Verstärkter Steuerkopf, Ahead-Vorbau für schnelleren Wechsel („Mitwachsen“)… 2011 kam ein 24er dazu, welches inzwischen vom 4. Kind gefahren wird – ebenfalls bisher ohne jegliche Probleme (außer 1 Platten und Bremsgummis wechseln). Mit beiden Rädern waren wir schon 2 x über die Alpen unterwegs (Innsbruck-Venedig und Salzburg-Kroatien), von Basel bis in die Camargue, in Thüringen, Oder-Neisse-Radweg, Schweden, Norwegen und in Schottland (wer die schottische Westküste kennt weiss was das heißt)… und natürlich im täglichen „Schulwegbetrieb“. Ein als Rennrad umgebautes Twentyfour Classic ist auf lokalen Kinderradrennen bis hin zu Einzelzeitfahren auf vorderen Plätzen zu finden. Der Prototyp des Twenty aus dem Jahr 2009 fuhr jahrelang als Winterfahrrad im Schulwegbetrieb mit Vollausstattung: Gepäckträger, Nabendynamo, feste Schutzbleche und Spikesreifen… (und wartet jetzt auf unseren Nachzügler…)
2012 wurde die Geometrie modifiziert und die Kaniabikes werden auch in Farbe Blau angeboten. 2013 folgte dann ein Kaniabike für die kleineren Radler in zierlichen 16 Zoll sowie unterteilt die 20″ und 24″er Bikes in eine Version Small und Large. Für gewichtsbewusste Kinder und Eltern gibt es die Linie „Team“ mit gewichtsoptimierten Anbauteilen.
In dem ehrlichen Wissen, dass unsere Kinderbikes nicht für jedes Kind, jeden Einsatzzweck und jeden Geldbeutel perfekt sind haben wir uns 2014 entscheiden in unserem Werkstattladen auch die leichten Bikes anderer Kinderfahrradhersteller zu verkaufen bzw. auch mit unseren Anbauteilen zu „tunen“. So haben wir die englische Edelschmiede Early Rider im Programm, Frogbikes, Woom und Conway.
Unseren neuen Fahrräder 2019 passten wir farblich neu an die aktuellen Trends an, die 20″ und 24″ Zoller bekamen statt der Aufteilung in small und large wieder einen einheitlichen Rahmen wobei sich durch den Knick im Oberrohr weiterhin das Rad für den frühen Umstieg auf die nächste Größe eignet und durch Verwendung von Standart-Maßen an Anbauteilen auch preisgünstig „mitwächst“. Nun ist auch schon ab 20 Zoll der Rahmen auf die Möglichkeit vorbereitet mit Scheibvenbremsen und vorne mit Zweifachkurbel ausgestattet zu werden – ideal für Eltern die gern schrauben oder das Rad auf das Kind und den Einsatzzweck genauer anpassen möchten.
Wir achten besonders auf:
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geringes Gewicht – vom Rahmen bis in die kleinsten Anbauteile
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kindgerechte Ausstattung – von Bremshebeln in Kinderhandgröße bis zu ergonomisch an Kinderbeinlängen angepasste Tretkurbeln sowie Überetzungen
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umfangreiche optionale Ausstattung und Modifikationsmöglichkeiten – vom StVO-konformen Stadtrad über MTBs bis hin zu Rennmaschinen
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und nicht zuletzt soll es bezahlbar sein
Eine nicht zu aufrechte Sitzposition ermöglicht zum einen eine gleichmäßige Belastung von Vorder- und Hinterachse und so ein sicheres fahren, sondern schont bei unebenem Gelände auch die Wirbelsäule. Durch eine feine Abstufung der Rahmengrößen passen die Rahmen für verschiedene Körpergrößen optimal und bieten durch Veränderungen an Vorbau und Sattelstütze ausreichend Mitwachspotential. Dabei wird darauf Wert gelegt dass es sich bei allen Anbausteilen um Standartgrößen handelt, so dass ggf. schon vorhandenes Zubehör wie Vorbauten verwendet oder günstig nachgekauft werden kann.
Die Kombination von einem einfachen Kettenblatt vorn und einer Megarange-Kassette hinten bietet ein enormes Spektrum an Übersetzungen, die ist mit vielen 15-18 Gang-Schaltungen aufnehmen kann – nur eben viel einfacher, kindgerechter und logischer zu schalten. Auf Federgabeln, die in dieser Körpergewichtsklasse kaum einen Nutzen haben, wird bei den Standartmodellen verzichtet (ist aber bei vielen Modellen nachrüstbar wenn gewünscht).
Persönliches
Die Idee, ein eigenes Kinderrad herzustellen haben sicherlich viele. Und ich wusste zwischenzeitlich nicht ob ich es noch einmal machen würden, wegen einem Kind, das über ein zu schweres Rad klagt, gleich eine eigene Fahrradlinie zu starten und plötzlich 500 Fahrräder zu haben (und vorab bezahlen zu müssen), die ich potentiellen Käufern erstmal schmackhaft machen musste. Mit einer neuen Marke, geringem Budget, gerichtlicher Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Partner (welcher „Kania“ heimlich als Marke angemeldet hatte und mir dann die Nutzung untersagen wollte, was nach einer fünfstelligen Summe Anwaltskosten dann aber so ausging, das wir die Marke bekamen und er nun unter einer neuen Marke firmieren muss) und das ganze als Vater von mittlerweise 5 Kindern, der eigentlich einen ganz anderen Beruf hat (Reiseagentur Wakiya Tours)… Ohne den Rückhalt der ganzen Familie, der Kolleginnen im Reisebüro und die vielen Unterstützer und positiven Rückmeldungen zahlreicher Kunden – es gäbe keine Kaniabikes ohne sie alle und daher ein großer Dank an alle. Auch wenn dieser Geschäftsteil alleine noch keine Familie ernähren könnte, dazu sind die Margen zu gering aus Rücksicht auf erschwingliche Endpreise – ich denke es war wichtig und richtig sich den Kinderrädern zu widmen.